Wieviel Missgeschicke braucht es noch? Auf dem Weg von den Niederlanden nach Südengland.

Schon über einen Monat ist es her, seit wir Kampen verlassen haben. So viel ist seit dem passiert. Aber so richtig unterwegs und so richtig gut fühle ich mich erst seit dem 14. Juli, seit unserem Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer. Warum das so ist? Schwierig zu erklären. Vielleicht weil wir in diesem Hafen mehrere Langfahrtsegler trafen? Vielleicht war es das Flair abends in den Gassen bei Strassenmusik oder beim Feiern des 14. Juli, des Nationalfeiertags am Strand? Vielleicht war es das Treiben der Fischer in der Marina oder die Faszination der Gezeiten? Vielleicht aber auch, die Entscheidung, die wir zwei Tage vorher in Breskens getroffen haben: weiter Richtung Süden zu fahren (und nicht zurück zur Ostsee) und uns nicht durch die ständigen Reparaturen & Missgeschicke unterkriegen zu lassen!

Ja, wir haben zwischendurch ernsthaft überlegt, ob das alles Sinn macht. Wir zofften dauernd, ständig ging was Neues kaputt, die Ausgaben schossen weiter in die Höhe. Und wofür das alles?

Am 20. Juni haben wir in Kampen abgelegt. Eine Woche waren wir auf dem IJsselmeer unterwegs. Mit einem kurzen Abstecher nach Den Helder, auf die Nordsee. Dann zurück aufs IJsselmeer, da wir in Medemblik unsere bestellten Leinen abholen wollten. Und schon auf dem IJsselmeer – also noch gar nicht lang unter Segeln unterwegs – lief schon wieder einiges schief…

(1) Als unser Motor nicht mehr ansprang

Ok, das erste war noch eine Kleinigkeit: als wir die Schleuse Naviduct bei Enkhuizen vom IJsselmeer ins Markermeer nutzten, sprang nach dem Schleusenvorgang der Motor nicht mehr an… Super… Wir liessen uns von der Jacht, die hinter uns lag rausschleppen. Hacko diagnostizierte zum Glück nur eine Kleinigkeit: ein Kabel zum Magnetschalter des Anlassers war abgegangen. Schnell repariert und weiter ging es zur Ankerbucht „De Nes“.

(2) Als unser Anker nicht mehr halten wollte

Wir ankerten drei Nächte lang völlig sicher und bei relativ viel Wind von bis zu 5-6 Windstärken in der Ankerbucht „De Nes“ im Markermeer. Hier konnten wir noch einige Arbeiten erledigen, bevor wir auf die Nordsee & den Atlantik raus fahren.

Der Morgen nach der vierten Nacht hatte es allerdings in sich: gegen vier Uhr wird Hacko wach. Der Bildschirm unseres AIS ist hell erleuchtet: die Ankerwache gibt Alarm – leider nicht akustisch, der Piepton war wohl abgestellt. Wir sind sofort hellwach und springen aus den Betten. Und tatsächlich: 45 Meter vom markierten Ankerpunkt entfernt. Motor an. 65 Meter entfernt. Ankerwinsch an. Aber wo liegt der Anker ??? Hacko hat Anixi mittlerweile vom Ufer frei gefahren. Aber der Anker und die Kette verlaufen nun unter dem Schiff entlang… Einholen ist so nicht möglich !! Nochmal Richtung Ufer treiben lassen war die Konsequenz. Den Anker konnten wir nun raufholen. Nur leider setzten wir mit Anixi nochmal auf Grund auf und wie sich später herausstellte entstand dabei ein tiefer langer Kratzer im Rumpf.

Nach mehrmaligen Ankerversuchen hielt der Anker wieder. Aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Was haben wir daraus gelernt ??

  • Wetterberichte genauer checken. Die Winddrehung von N auf E und eine weitere Zunahme bis zu 7 Bf waren vorhergesagt.
  • Mehr Kette stecken. Wir hatten nur ca. das 4-fache an Kette gesteckt.
  • Ankeruntergrund wenn möglich checken. Beobachten wenn andere Jachten ihre Anker aufholen. Wir hätten bewusst realisieren sollen, dass jede der Jachten einiges an Seegras und dunklen weichen Matsch mit dem Anker raufholt.
  • Ankerkasten bleibt ab sofort immer offen. Der Ankerkasten war geschlossen, die Fernbedienung für die Ankerwinsch darin vergraben. Bei unserem Schiff liegt die Ankerwinsch hinter dem Kasten und somit verläuft die Ankerkette über den Kasten, so dass wir den Kasten nur bei entlasteter Kette aufbekommen.
  • Ankerboje anbringen, dann sehen wir wo der Anker liegt und können darauf beim Manövrieren besser reagieren.
  • Akustik des AIS Ankeralarms aktivieren. Zudem ist der interne Buzzer relativ leise. Deshalb werden wir noch einen externen Alarm anschliessen.
  • Zweite Ankerwache im Zweifel aktivieren, mittels des Hand-GPS.

(3) Der Autopilot kann nicht angeschlossen werden

In der Ankerbucht wollte Hacko auch endlich unseren elektrischen Autopiloten anschliessen. Aber Hacko stellte dabei fest: ein wesentliches Teil fehlt uns dazu: der Ruderlagengeber… Also Recherche & in Breskens bestellt. Dort gibt es einen Shop, der Garmin Zubehör verkauft. Somit war die weitere Route auch wieder vorgegeben. Breskens sollte unser letzter Stopp in den Niederlanden werden.

(4) Unser Getriebe macht merkwürdige Geräusche

Vor Anker wollten wir nun keine weitere Nacht in dieser Bucht verbringen. Es war ohnehin geplant weiter zu fahren: durch Amsterdam & den Nordzeekanaal bis nach IJmuiden. Am Sonntag durch die völlig überfüllte Oranjesluizen. Und dann durch das quirlige Amsterdam bei schönstem Wetter. Nach einer Nacht in IJmuiden ging es weiter Richtung Scheveningen. Nur leider war dieser Hafen geschlossen !!! Der nächste Hafen Richtung Süden, den wir anvisierten war ca. 35 Meilen entfernt und es war schon 15.00 Uhr !! Aber wir haben dies super gemeistert. Vorbei an Rotterdam bis in den Harlingsvliet.

Und hier stellte Hacko das nächste Problem fest: unser Getriebe gibt ab & an komische Geräusche von sich. Mahlende Geräusche. Mal mehr, mal weniger. Nicht so optimal. Konsequenz: wir recherchierten & bestellten ein neues Getriebe, welches wir 5 Tage später in Breskens erhielten und einbauten.

(5) Unsere Genua zerreisst

Was kann nun noch passieren? Nachdem wir 5 Tage in Breskens verbracht hatten, das Getriebe getauscht & einiges anderes installiert hatten fahren wir endlich weiter: Frankreich ist unser Ziel. Nach einer kurzen Nacht in Dunkerque ging es weiter bis Boulogne-sur-Mer. Hier mussten wir uns entscheiden: weiter entlang der Frankreich Küste oder über den Englischen Kanal nach England. Wir entschieden uns für die südenglische Küste.

Gleich am Tag unserer Überfahrt, kurz vor Newhaven passierte es: unsere Genua zerreißt. Unser eigener Fehler, sehr blöd gelaufen. Aber nun gilt es mal wieder zu recherchieren, wo könnten wir sie reparieren lassen? Verschiedene Segelmacher in England und in Frankreich angeschrieben. Unter anderem in der Nähe von Chichester, wo wir ohnehin in den kommenden Tagen einen Stopp einlegen wollten.

Riss Genua

(6) Unser Anlasser streikt nun komplett

Von Newhaven wollten wir direkt weiter bis Chichester Harbour fahren. Leider spielte das Wetter dabei nicht so ganz mit. Wind mal wieder direkt aus der Richtung, in die wir fahren wollten. Deshalb ging es zunächst nur bis Shoreham. Hier lagen wir eine Nacht, um am nächsten Tag sehr früh zu starten. Am nächsten Morgen starteten wir den Motor, das heisst wir wollten ihn starten. Dem Anlasser war es wohl noch zu früh… Ein bisschen Trickserei und der Motor sprang an. Aber ganz wohl war uns dabei nicht.

Nach ca. 1 Stunde nahm der Wind wie vorhergesagt zu & wir konnten endlich segeln. Motor aus. Nach einer halben Stunde schlief der Wind allerdings schon wieder ein. Motor an. Motor an? Nichts tat sich. Nach nochmaligem Tricksen war klar: der Anlasser muss raus & repariert werden. Somit lief der Motor auch unter Segeln bis nach Chichester Harbour weiter mit. Ausmachen wollten wir ihn erst wieder, wenn wir sicher am Steg liegen.

Anlasser in Reparatur

Bis dato konnten alle Probleme irgendwie gelöst werden. Das Segel ist wieder repariert & der Anlasser läuft. Aber ein paar Tage ohne irgendwelche Zwischenfälle wären doch auch mal schön?!?

Wir sind stolz auf das, was wir bis dato geschafft haben. Wir werden nicht aufgeben und uns durch diese kleinen Missgeschicke und ständigen Dämpfer unterkriegen lassen. Wir geniessen die Zeit, die wir haben, das tolle Segelrevier in Südengland und lernen viel dazu. Und zumindest bis Griechenland werden wir es wohl schaffen 😉 ?!?

Boulogne-sur-Mer Nationalfeiertag

Am Strand von Boulogne-sur-Mer am Nationalfeiertag


Anfahrt auf Newhaven

Anfahrt auf Newhaven


Osborne Bay

In der Osborne Bay vor Anker

Text

8 Kommentare
  1. Ralf Walkenhorst
    Ralf Walkenhorst sagte:

    Hallo ihr Lieben es freut uns zuhören das ihr nicht aufgebt obwohl wenn man das so liest was alles passiert ist könnte man es euch auch nicht verdenken,aber solange es Technische Probleme sind wird Hacko das schon hinkriegen so kenne ich ihn auf jedenfall.Wichtig ist das ihr beiden zusammen haltet und die Probleme gemeinsam löst dann wird schon alles wieder gut ansonsten finden wir eure Berichte sehr Interesant und warten schon auf die Nächsten.
    Viele Grüße und immer eine Hand breit Wasser unterm Kiel wünschen euch Ralf u.Petra

    Antworten
    • Nora
      Nora sagte:

      Liebe Petra, lieber Ralf. Vielen Dank für eure Worte 🙂 Die positiven Aspekte der Reise überwiegen zum Glück, und wir müssen ehrlich sagen: wir hatten bis jetzt immer Glück im Unglück. Jedes Problem konnte bis jetzt immer irgendwie gelöst werden. Herzliche Grüsse aus Polruan / Fowey.

      Antworten
  2. Lukas
    Lukas sagte:

    Der ganz normale Langfahrtwahnsinn 😉

    Im Ernst, das gehört einfach dazu wenn man mit einem alten Boot unterwegs ist. Ich kenne das Gefühl ganz gut, man war so gut vorbereitet und trotzdem ist jeden Tag was neues zu reparieren. Wir haben 2015 eine komplett neue Maschine einbauen lassen und hatten dann 2016 (auch in Südengland) die ersten Maschinenprobleme…

    So ist das eben, das wird auch nicht besser werden. Es wird eher schlimmer je weiter man sich von Europa entfernt, im Moment habt ihr wenigstens noch Zugriff auf vernünftige Serviceeinrichtungen.

    Die einzige Möglichkeit um das zu ändern ist ein größeres Schiff mit fest angestelltem Skipper der sich um die Wartung kümmert. Aber den muss man nicht nur bezahlen können sondern auch an Bord haben wollen. Bei uns wäre das nicht der Fall, ich repariere meine Toilette lieber selbst 🙂

    Antworten
    • Nora
      Nora sagte:

      Lieber Lukas. Na du machst uns ja Mut 😉 Na ja, eins steht fest: die Arbeit wird uns nie ausgehen. Wenn mal etwas nicht zu reparieren ist, dann ist auf jeden Fall irgendwas anderes zu optimieren. Aber dies haben wir gewusst & uns bewusst dafür entschieden. Derzeit schätzen wir tatsächlich die vernünftigen Serviceeinrichtungen hier in Europa.

      Antworten
  3. SY Born to Live (Krefeld)
    SY Born to Live (Krefeld) sagte:

    Der meiste Spruch von Weltenbummlern. „Wir reparieren uns um die Welt“ Schade, dass es bei euch (bis jetzt) auch so ist.
    Hoffe es ändert sich.

    Antworten
    • Nora
      Nora sagte:

      Lieber Guido. Tja, das hoffen wir auch 😉 Aber ganz klar: die positiven Erlebnisse auf unserer bisherigen Reise überwiegen definitiv & die Probleme konnten bis jetzt recht gut gelöst werden. Herzliche Grüsse!

      Antworten
  4. Astrid
    Astrid sagte:

    Danke für diesen Beitrag! Ihr seid nicht allein.
    Ein Jahr haben wir unsere Tiki gehabt, geputzt, kleinere und größere Reparaturen, Winschen warten, Motorencheck, verschiedenes anpassen, optimieren etc, ihr kennt das.

    Dann, endlich, der grosse Tag ist gekommen. Leinen los, wir sind Livesboards, der Hafen, der uns ein knappes Jahr beheimatet hatte wird kleiner hinter uns. Es ist ein schöner Tag, trotz Wind auf der Nase und Motor. Nach 5nm ist die grosse Reise erstmal zuende. Schlauchschelle vom Kühlwasserschlauch gerissen, 2 Kreiskühlung, das Salzwasser kam durch, das Süsswasser war verdampft. 4 Tage Motor reparieren.
    Egal, weiter geht’s. Ein paar Tage unter Segeln, ab in den Süden, die Adria runter. Im November zwar etwas kühl, aber dafür sind wir alleine in den Buchten, das Wasser klar das Wetter meistens gnädig.
    Segel setzen, auf ein Neues… Doch halt, das Fall rührt sich nicht, klemmt irgendwie im Masttop. Egal, wir haben ja noch die Dirk. Auch hier – Fehlanzeige. Beide Umlenkrollen im Top gebrochen. Obwohl keinerlei ungewöhnliche Belastung da war. Dann eben nur die Genua.

    Ende Dezember, wir queren die Adria, internationale Gewässer, Flaute aber Adriawellen (kurz und steil) kreuzen gerade den Schifffahrtskorridor, ca 23:00, der Motor heult auf, reagiert nicht auf den Gashebel. Gaszugsfeder gerissen.

    Stunden später kommen wir geschafft in Manfredonia an. 2 Wochen später lassen wir den Motor rausgeben um die Dichtungen tauschen zu lassen. Geht bei uns im eingebauten Zustand nicht. Währenddessen säubern und isolieren wir den Motorraum. Die Werft braucht 9 (neun) Wochen um die, von uns bereitgestellten Dichtungen zu tauschen, lässt den Motor 2x vom Stapler fallen (ja, richtig gelesen zwei mal) und droht uns mit Port Police und Hafenkapitän weil wir das Vorgehen in Frage stellen. Zugegeben, etwas lautstark, aber in Italien fällt das normal nicht weiter auf. Inzwischen sind wir in Griechenland, seit 30. April am Trockenen und fleissig beim Refit. Fragt lieber nicht, was hier noch alles war.

    Kopf hoch, durchatmen, weitermachen!

    Fair winds & following seas
    Astrid

    Antworten
    • Nora
      Nora sagte:

      Liebe Astrid. Uff. Das ist ja ganz schön heftig, was euch in kurzer Zeit alles passiert ist. Wir hoffen, es kommt bald deutlich besser & ihr könnt eure Refit Arbeiten in Griechenland erfolgreich abschliessen !! Herzlicher Gruss.

      Antworten

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